Dr. Heinrich Wetzlar
Therese Wetzlar

Dr. Heinrich Wetzlar - Der Gründervater der Jugendeinrichtung Schloss Stutensee und unser Vorbild

In unserem Jubiläumsjahr haben wir dem Monat August den Mosaikstein "VORBILD" gewidmet. Dr. Heinrich Wetzlar ist der Gründervater der Jugendeinrichtung Schloss Stutensee und Wegbereiter für die aktive Jugendhilfe. Damit ist er Vorbild unserer täglichen Arbeit. Unsere Aktion zum Thema Vorbild in Rahmen unserer Jubiläumsveranstaltungen ist ein Rätsel, das nach den Sommerferien veröffentlicht wird.
Sei es zur Vorbereitung für das Rätsel oder für allgemeines Interesse an der Geschichte von Dr. Heinrich Wetzlar und seine Frau Therese Wetzlar haben wir für Sie das Leben und die Arbeit von unserer Gründerfamilie festgehalten.

Dr. Heinrich Wetzlar entstammt einer jüdischen Kaufmannsfamilie und wurde am 30. Mai 1868 in Mannheim geboren. Nach seiner Schulzeit studierte er in Heidelberg und Berlin die Rechtswissenschaften. Mit bestandener Abschlussprüfung wurde er zum Dr. jur. ernannt. Um 1900 begann Dr. Heinrich Wetzlar seine Richterlaufbahn. Zuerst war er Amtsrichter im badischen Pfullendorf, nicht weit vom Bodensee entfernt. Dann wurde er an das Amtsgericht Raststatt versetzt, schließlich nach Karlsruhe, wo er 1918 zum Oberlandesgerichtsrat und zuletzt 1926 zum Landesgerichtsdirektor ernannt wurde. Als Richter erkannte er, dass ein Fall mit einem Urteil nicht erledigt war. Deshalb trat er dem Karlsruher Verein für Gefangenenfürsorge bei und übernahm 1905 dessen Vorsitz. Hier widmete er sich besonders den straffällig gewordenen Jugendlichen und setzte sich für den Jugendschutz ein. Dies spiegelte sich auch in der Umbenennung der Organisation in Verein für Jugendschutz und Gefangenenfürsorge wider. 

Mit seinem Engagement gründete Dr. Heinrich Wetzlar 1914 ein Erziehungsheim für gefährdete und delinquente männliche Jugendliche in der Werderstraße 35 in Karlsruhe, dessen Leitung er neben seiner Tätigkeit als Richter übernahm. Viele der aufgenommenen Jugendlichen blieben dadurch vor Polizeigewahrsam, Untersuchungshaft oder Strafvollzug verschont. 

Mit dem Ende des ersten Weltkrieges 1918 ging auch die Zeit des deutschen Kaiserreiches zu Ende. In dieser Zeit herrschte in Karlsruhe große Wohnungsnot und die Stadtverwaltung wollte gerne die Räumlichkeiten in der Werderstraße zurückbekommen. Dr. Heinrich Wetzlar wurde stattdessen das frei gewordene Schloss Stutensee als Unterbringung seines Heimes angeboten. Er nahm das Angebot an und richtete am 1. April 1919 im Schloss Stutensee ein Jugendfürsorgeheim für gestrauchelte schulentlassene männliche Jugendliche ein.

Therese Wetzlar unterstützte von ganzen Herzen ihren Ehemann bei seinem Engagement in der Jugendhilfe und setzte sich auch verstärkt für die Jugendgerichtshilfe mit ein, die in Karlsruhe somit viele Jahre vor der gesetzlichen Einführung etabliert wurde. Zudem war Therese Wetzlar Mitglied des Luisen-Frauen-Vereins und des Ausschusses beim Karlsruher Jugendamt.

Dr. Heinrich Wetzlar und seine Frau Therese Wetzlar engagierten sich für eine sozialpädagogische Ausrichtung der Erziehungshilfe. So wurde auf eine persönliche Zuwendung zwischen Erziehern und Jugendlichen geachtet und einen Schwerpunkt auf die Ausbildung gelegt. Es gab im Erziehungsheim Schloss Stutensee verschiedene Arbeits- und Ausbildungsbetriebe verbunden mit einer Berufsschule. Zu den angebotenen Ausbildungsberufen gehörten zum Beispiel Gärtner, Schneider, Schuster und Landwirt.

1929 zog Familie Wetzlar nach Mannheim, da Dr. Heinrich Wetzlar dort zum Landesgerichtspräsidenten ernannt wurde. Dennoch behält Dr. Heinrich Wetzlar die Oberleitung des Erziehungsheimes und das Ehepaar kommt wöchentlich nach Stutensee zu Besuch.

Unter dem Druck des NS-Regimes 1933 wurde Dr. Heinrich Wetzlar als Jurist frühzeitig pensioniert. Ihrer jüdischen Herkunft wegen wurde dem Ehepaar Wetzlar auch die Fortführung ihrer jahrzehntelangen hingebungsvollen und erfolgreichen Arbeit in Schloss Stutensee untersagt und sie wurden von allen Aufgaben entbunden.

Heinrich und Therese Wetzlar wurden wegen ihrer jüdischen Abstammung von den Nationalsozialisten aus den Niederlanden, wohin sie kurz nach Kriegsausbruch geflohen sind, verschleppt. Im KZ Theresienstadt verloren sie wenige Monate später ihr Leben.
Im Jahr 1961 wurde am Schloss Stutensee eine Gedenktafel mit folgendem Text angebracht: „Als Helfer der Jugend erfüllten ihr Leben Landesgerichtspräsident Dr. Heinrich Wetzlar und seine Gattin Therese Wetzlar. Sie gründeten und leiteten das Heim von 1919-1933. Sie wurden vertrieben und starben 1943 fern der Heimat. Ihr Geist lebt in ihrem Werk.“

Seit 1984 ist im Obergeschoss des nördlichen Langhauses der Jugendeinrichtung Schloss Stutensee das Angebot „Erziehung statt Untersuchungshaft“ untergebracht. Es hat das Ziel, straffällig gewordene Jugendliche mit günstigen Zukunftsaussichten auf ihre Gerichtsverhandlung vorzubereiten sowie sie vor nachteiliger Untersuchungshaft zu bewahren und ihnen stattdessen eine positive Entwicklung durch die pädagogische und therapeutische Arbeit zu ermöglichen. Da dieses Ziel 70 Jahre vor der Etablierung des Angebots auch von Dr. Heinrich Wetzlar angestrebt worden war, gab man der neuen Einrichtung seinen Namen: Heinrich-Wetzlar-Haus.